Artikel im Themenheft "Familienklassen" der Zeitschrift Lernen Konkret
1. Problematik FamilienklasseDie Familienklasse 2 besteht aus 12 SchülerInnen im Alter von 10 bis 17 Jahren. Die drei jüngeren SchülerInnen sind noch sehr verspielt, während die 12jährigen Schüler sich sehr stark an den Älteren orientieren, die Unterrichtsinhalte oft als „Babykram" abtun. Allen gerecht zu werden, noch dazu mit dem Anspruch zeitweise gemeinsam aktiv zu sein, ist eine Herausforderung. Alle SchülerInnen hören gerne Musik. Finden wir hierin einen gemeinsamen Nenner? 2. Problematik MusikunterrichtAls wir die F2 mit einigen unserer Unterstufenschüler gründeten, trennten wir die Gruppen noch oft, um mit den Kleinen Kinderlieder singen zu können. Die jugendlichen SchülerInnen hören sowohl in den Pausen, als auch zu Hause ständig Musik. Diese macht einen Großteil ihrer Lebenswirklichkeit aus. Schon deshalb, neben zahlreichen allgemeinen Zielen, halte ich den Musikunterricht für sehr wichtig, um die Schülerlnnen vom reinen Konsumieren zur Eigenaktivität zu führen. Während man die jüngeren Schüler dazu noch schnell begeistern kann, beschränkt sich bei den älteren die Motivationslage auf das Hören von Popmusik, bestenfalls tanzen sie dazu oder wollen Schlagzeug spielen. Orff-Instrumentarium, Kinderlieder oder Omamusik sind out. Einerseits ist das Nachahmen von Popmusik für unsere Schüler schwieriger als das Singen von Kinderliedern und die Begleitung mit Orff-Instrumenten, andererseits bietet die Technik immer mehr Möglichkeiten. 3. Entwicklung des Musikunterrichts in der F2Beide angesprochenen Probleme im Hinterkopf, begannen wir den Musikunterricht vor ca. zwei Jahren mit den mitgebrachten Hits der älteren Schüler. Hiermit fanden zahlreiche Rhythmusübungen mit Schlagzeug, Klanghölzern, Körperinstrumenten usw. statt. Danach übten wir mit den Schülern das Singen nach Karaoke-Liedern. Diese fanden wir auf gekauften CDs, im Internet oder stellten sie selbst mit einem Keyboard her. Auch die jüngeren Schüler hatten Spaß am rhythmischen Begleiten und konnten die deutschen Hits, wie „Marmor, Stein und Eisen bricht" mitsingen, während die älteren Schüler sogar Titel der Superstars in englischer Sprache sangen. Daraus entstand zum Ende des letzten Schuljahres als Gemeinschaftsprodukt - eine digital aufgenommene CD, auf die die Klasse sehr stolz war. 4. Wir machen eine Video CDMit diesem Projekt wurde in diesem Schuljahr die Aktivität, musikalische Schulung sowie die Motivation aller SchülerInnen noch gesteigert. Auch die jüngeren Schülerlnnen kamen zu ihrem Recht auf Kinderlieder. Es boten sich zahlreiche Differenzierungsmöglichkeiten, sowohl inhaltlich als auch vom Schwierigkeitsgrad her an. Wir entwickelten ein abwechslungsreiches Programm, für das wir ca. ein halbes Jahr hart probten. Jeder Schüler interpretierte sein Lied, bei dem die anderen Schüler - nicht immer alle - zusätzlich aktiv wurden. Wir erarbeiteten auch die Bühnenpräsenz und suchten passend zum Lied die entsprechende Verkleidung aus. Für die Videoaufnahme bauten wir die Bühne und die Musikanlage in der Aula auf und nahmen Stück für Stück während eines Schultages mit dreifacher Lehrerbesetzung auf. Einige Schüler sangen ihr Lied zu einer Karaokeversion. Es begleitete nur ein Schüler mit Becken und Besen - bei einem ruhigen Lied - oder zwei Schüler mit Bass, Drum und Becken oder alle SchülerInnen, z.B. bei „Marmor, Stein und Eisen bricht". Einfache Lieder, mit maximal drei Harmonien, begleitete jeweils ein Schüler auf dem Keyboard mit farblich gekennzeichnetem Grundton und der Terz (C Dur: c,e; G Dur: g,h). Eine Schülerin konnte 2 Harmonien auf der Gitarre spielen. Statt dessen können auch zwei bis drei Gitarren eingesetzt werden, bei der jede auf eine Harmonie gestimmt ist. Die Schüler spielen dementsprechend im Wechsel. Zu einem Lied tanzten zwei Schülerinnen auf der Bühne, bei „99 Luftballons" konnten alle Schüler Luftballons auf der Bühne schweben lassen. Zwei der jüngeren Schüler sangen jeweils ein Kinderlied. Die älteren akzeptierten dies. Jeder darf sein Lieblingslied singen. Sie selbst konnten dazu Keyboard spielen, besonders geeignet für leistungsschwächere Schüler, da die Kinderlieder nur zwei Harmonien haben. Sie übernahmen sogar die szenische Darstellung oder die Gespenstergeräusche beim jeweiligen Lied. Schließlich soll die gemeinsame CD gut werden. Bei Schülern mit Sprachproblemen ließen wir einen anderen Schüler im Hintergrund mitsingen. Ein autistischer und hyperaktiver Schüler konnte zwar kein eigenes Lied singen, er hatte aber viel Spaß und half uns öfter mit dem Rhythmusei oder tanzte auf der Bühne. Außerdem spielte er den Nummernboy, wobei er einmal die Bühne entlang laufen konnte. Da bei dem Stück „Marina, Marina, Marina" alle ein Instrument spielen, werde ich dieses im Folgenden noch näher beschreiben. 5. „Marina, Marina, Marina"- die Bigband der Familienklasse 2Kim singt dieses Lied mit dem Mikrofon. Sie kann den Text auswendig. Melanie begleitet sie auf dem Keyboard, wobei der Wechsel der drei Harmonien einzeln mit ihr geübt wurde. Sie spielte zunächst nach farblich aufgeschriebenen Noten, später jedoch auswendig. Daniel, der ein gutes Rhythmusgefühl hat, begleitete mit der Bass Drum auf 2 und 4, ebenso Zoran mit Klanghölzern. Adnan das Becken mit Besen durchgängig mit 4 Schlägen. Stefanie schaffte es in ihrem eigenen, aber dennoch passenden Rhythmus die Triangel zu schlagen. Ipek, Arian und Olaf hatten Spaß beim Schütteln des Rhythmuseis ohne die anderen gleich aus dem Takt zu bringen. Sebastian zupfte einen selbstgebauten Contrabaß im Metrum mit. Dabei wird eine Perlonschnur am Boden eines umgedrehten Kunststoffeimers und an einen Besenstil befestigt. Dennis, der starke Sprachprobleme hat, spielte das Saxophon, aus Holz ausgesägt mit einem Kasou als Mundstück. So brauchte er nur die Melodie mit „summen". Patricia begleitete das Lied in C und G Dur auf der Gitarre. Bei F Dur pausierte sie. Für dieses Bandstück mussten wir am meisten proben, vor allem weil es sehr schwierig ist mit allen im gleichen Metrum zu bleiben. Dieses Problem stellte sich bei allen Stücken als größte Schwierigkeit heraus. Doch es war auch eine gute Übung, bei der die SchülerInnen innerhalb der zwei Schuljahre einen großen Lernerfolg verzeichnen konnten. Die SchülerInnen haben bei diesem Projekt neben den Rhythmusübungen nicht nur ihr individuelles Instrumentalspiel verbessert, das sie unermüdlich übten, sondern vor allem ein Gemeinschaftsgefühl erfahren, indem sie zusammen und einzeln etwas hart erarbeitet und ein ansehbares Ergebnis erhalten haben. Druckansicht
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